Terry Hall (1959-2022)

Er war ein einfacher Lad mit einer schwierigen Biografie aus Coventry/UK, dem heruntergewirtschafteten einstigen Zentrum der britischen Automobilindustrie. Gestorben ist der Specials-Sängers und Songwriter Terry Hall als Idol einer Generation. Damon Albarn (Blur, Gorillaz, u.a.) setzte sich spontan ans Klavier und spielte Terrys zeitlose Melodie «Friday Night, Saturday Morning». Dazu schrieb er auf der Terry Hall Fanpage:  «Terry, you meant the world to me. I love you.»

Spätestens seit ihrem Auftritt 1980 am Montreux Festival waren die Specials auch eine meiner liebsten Bands. Anderthalb Jahre lang waren sie mit ihrer demonstrativ anti-rassistischen Dance Craze das Mass aller Dinge in der britischen Jugendkultur und weit darüber hinaus. Um das von Jerry Dammers gegründete 2 Tone-Label feierten Bands wie The Selecter, Madness und The Beat Chartserfolge am Laufmeter. The Specials veröffentlichten zwei grundverschiedene, gleichermassen grossartige Alben – das von Elivs Costello produzierte Debüt «The Specials» (1979) bzw. «More Specials» (1981), in dem sie neben weiteren Ska-Krachern industriell produzierte Muzak auf die Schippe nahmen – ehe sie sich mit der Single «Ghost Town» verabschiedeten und getrennte Wege gingen.

2019 fanden sie – allerdings ohne ihren zweiten Mastermind Jerry Dammers – wieder zusammen und spielten mit «Encore» ein Album ein, als wären sie nie weg gewesen. Dass die Platte Platz 1 in den UK-Charts erreichte, habe seinen Glauben in die Menschheit wieder hergestellt, ulkte Terry Hall. Dem Magazin Uncut sagte er: «I’ve wanted to be 60 since I was about 27, because at that point everything I liked was being performed by 60-year-olds like Andy Williams, Tony Bennett and Frank Sinatra. I love how they’d carry on doing what they do. You have to shut everything out to do that. I feel blessed to have reached that stage. A lot of people think that 60 is part of the downward spiral, which it is if you allow it to be, but you can fight it and say, no it isn’t, it’s just part of this story.»
Und genau so überzeugend und altersweise erlebte ich Terry Hall noch einmal im November 2019 mit den Specials auf der Bühne des Zürcher Palais X-tra.

Terry Hall auf seine Karriere mit den Specials zu reduzieren wäre grundfalsch. Auch mit Fun Boy Three, Colourfield und zwei Soloalben oder in der Zusammenarbeit mit dem pakistanischstämmigen Mushtaq von Fun-Da-Mental (The Hour of Two Lights, 2003) hat Terry Hall grossartige Musik hinterlassen. Unvergessen etwa, wie Hall 1982 die heraufziehende neoliberale Reagan/Thatcher-Aera mit dem Song «The Lunatics Have Taken Over The Asylum» kommentierte. Eine bittere Ironie der Geschichte ist, dass Grossbritannien seither sozial wohl noch kälter geworden ist, wenn sich Millionen Tag für Tag die Frage stellen müssen «eat or heat?».

Popmusik konnte die Welt noch nie verändern. Aber im besten Fall den Soundtrack dazu liefern.

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