danielhitzig.com

Noch eine Webseite, wozu das? Die Antwort und etwas Geplauder aus dem Home office.

Die Visitenkarte is not dead, it just smells funny. Diese Website ist einfach etwas grösser als 55x85 mm aber letztlich dasselbe: Eigenmarketing. Das gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen, aber ganz ohne wäre es wohl schwieriger, jemanden für mein Angebot zu interessieren. Hier sind also ein paar Informationen über mich versammelt und wer etwas mehr Zeit verbringen will, findet vielleicht etwas zum Verweilen.

Zeit? Die hat in den letzten Wochen und Monaten für viele eine neue Bedeutung erhalten. Wann können die Corona-Massnahmen sinnvollerweise gelockert werden, wann werden wir geimpft, wann können wir es wieder dem Zufall überlassen, wen wir an einer Veranstaltung, vor dem Kino, in einer Bar zu einem Schwatz treffen? 

Wer sich wie ich im Homeoffice die Zeit selbst einteilen kann, versucht wohl auch, sich aus der Informationsflut ein bekömmliches Menu zusammenzustellen, liest abonnierte Newsletter (wie den von The Conversation oder Global Voices), schaut bei arte und Netflix rein oder liest ein Buch. Oder macht Yoga, lernt Musse, versucht sich als  Kampfspaziergänger*in, preist die Entschleunigung.  

Medien sind mir ein liebes Mittel, Zeit zu verbringen. Gut für mich, weil es zu meinem Beruf gehört, informiert zu sein. Zeitungslektüre geht dieser Tage zuweilen etwas schneller, weil die Covid-19-News schon am Service public-Radio waren und die viele Corona-Berichterstattung aufs Gemüt zu schlagen droht. 
Wobei ausser Frage steht, dass die fiesen kleinen Viren eine Jahrhundertstory sind, immerhin hält sie uns jetzt schon ein Jahr in Atem (Aerosole!). Was auffällt: Wie wenig eigentlich die Rede davon ist, dass in der globalen Krise das Finanzcasino weiter boomt, die Ungleichheit noch stärker zunimmt und entsprechend noch gefährlicher wird. Hier und überall. Sicher, seit das neo-liberale Credo seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat, wurde viel Reichtum angehäuft, in früheren Armenhäusern wie China oder Indien, sogar in Afrika ist eine Mittelklasse entstanden, während parallel dazu in Europa und den USA die Abstiegsangst umgeht, was Populisten in die Hände spielt. Was mittlerweile auch kluge liberale Historiker wie Timothy Garton Ash («Neue Lösungen für neue Probleme») nachhaltig beunruhigt. Soll ich es mit einem der Leserkommentare («Wenn das Liberalismus ist, dann bin ich auch Liberaler») oder nicht doch eher mit einem anderen Historiker, Rutger Bergman, halten? Der schreibt in seinem Buch «Utopien für Realisten», heute seien in unseren Breitengraden viele so unzufrieden, weil sie sich gar nichts mehr besseres vorstellen können.

Ich sitze also im Home office, warte darauf, dass es Frühling wird und wir uns in absehbarer Zeit wieder mit anderem als Corona beschäftigen können, diesen prima Aufreger, an denen sich die Medien und Politik abarbeiten, um Clicks bzw. Stimmung machen zu können, ohne sich mit – unter dem Strich – Wichtigerem zu beschäftigen. Siehe oben.  

Doch was soll die Klage? Wer Zeit hat oder sie sich nimmt, findet ja im Netz endlos anregende Inhalte und Diskussionen. Nur schon das Angebot an Podcasts ist schier grenzenlos, selbst wenn wir uns auf Deutsch beschränkten. Was wir nicht tun sollten. Angetan hat es mir u.a. das Format «Das Monokel» mit dem hübschen Claim halb durchblickt, doppelt scharf. Ein Podcast über Macht, Ideologie und Medien von Christian Caspar und Marco Kovic. Wer mehr erfahren möchte, was sich hinter Schlagworten wie Meinungsfreiheit, cancel culture, deplatforming oder Lügenpresse verbringt, erhält diese auf schön nachvollziehbare Art und Weise dekonstruiert. «Das Monokel» erscheint alle 14 Tage, ist etwas nerdig, aber für mich gerade richtig.

Und dann sind da natürlich noch die sozialen Medien, die ich primär aus der Spannerperspektive verfolge, damit ich – das bilde ich mir jedenfalls ein – etwas besser verstehen kann, wie Volkes Seele in welcher Blase tickt. Und für News, die in den hiesigen Publikumsmedien kaum oder gar nicht vorkommen. 
Viel geschrieben wurde in den letzten Tagen und Wochen über Clubhouse, den neusten Knaller der Techies, die Social-Audio-App, welche die beiden Megatrends Social und Audio zusammenbringen soll. Das interessiert mich als Ohrenmenschen, wobei die Skepsis angesichts der Verheerungen, welche die (a)sozialen Medien weltweit schon angerichtet haben, überwiegt. Brauchen wir noch einen digitalen Raum, in dem sich Menschen, die sich (zu) wichtig nehmen, ihre Eitelkeit ausleben können? Oder andersrum: Dient die App der Wahrheitsfindung – als in China in einem Chatroom ein intensiver Austausch darüber stattfand, was in Xianjiang wirklich vor sich geht – war Big Brother schnell zur Stelle und machte dem Spuk ein Ende. Dabei sein darf bei Clubhouse bekanntlich nur, wer eine Einladung erhalten hat und einverstanden ist, sein Adressbuch mit der Firma Alpha Exploration zu teilen. Auch mit Einladung für mich ein no go. Schliesslich müssen wir individuell hin und wieder auch ernst machen mit unseren Überzeugungen. Sonst wird das nie etwas mit der Schwarmintelligenz.

A propos Ohren und Technik: Bei mir im Homeoffice läuft fast immer Musik. Über 100'000 Webradios soll es mittlerweile geben, jene zu denen ich immer zurückkehre sind FIP von Radio France mit einem famosen eklektischen Mix. Wem der zu breit ist, der kann es mit den acht weiteren FIP-Sendern probieren, unterteilt nach Stilrichtung (von Groove über Monde bis zu Nouveautés). Ein sicherer Wert bleibt auch ByteFM, das Musikradio von Fans für Fans aus Hamburg. Oder ich tauche ein in die neue Liste der 500 besten Alben aller Zeiten des Rolling Stone, die mir dann Spotify umgehend abspielt. Klar, Musik aus Afrika oder Indien ist da keine zu finden, aber da hülfe dann die Liste Afro Indie («Cuts from the continent and diaspora to dive in») oder Indian Pop Hits. Und zu guter Letzt darf der Hinweis auf musi-c nicht fehlen, der Musikblog von Urs Musfeld, dem früheren DRS3/SRF3-Musikredaktor. Er macht jetzt einfach im Netz weiter. Jede Woche gibt es eine neue Stunde neue Musik. Stay tuned. 

PS. Die Foto über diesem Text stammt vom Paléo Festival 1986. Das Warten nach dem Konzert bis James Browns Frisur wieder in Form war, hatte sich gelohnt.

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Agenda 2030 – wo klemmt’s?